Das NRW-weite Azubi-Ticket als sozialdemokratisches Projekt retten
Ohne politische Initiative droht eine Juso-Idee unter die Räder zu geraten
Es war 2015 auf der Juso-Landeskonferenz in Lüdenscheid, als wir die Forderung nach einem NRW-weiten Azubi-Ticket einstimmig beschlossen. Diese Idee – also Azubis und Dual-Studierenden Zugang zu schaffen, zu einem landesweiten und erschwinglichen Nahverkehrsticket – war so überzeugend, dass wir sie ohne großen Gegenwind im SPD-Landtagswahlprogramm verankern konnten. Hannelore Kraft machte das Azubi-Ticket im Landtagswahlkampf sogar zu ihrem Projekt. Im Wahlkampf haben wir auch für diese Forderung gekämpft – und aus anderen Gründen verloren. Und jetzt droht unsere Idee in den Mühlen schwarz-gelber Politik unterzugehen. Um dies zu verhindern, muss die NRWSPD endlich handeln! Wenn NRWSPD und Landtagsfraktion nicht selbst einen politischen Prozess zum Azubi-Ticket in Gang setzt, kann die Mitte-Rechts-Regierung hier ohne Widerstände Schalten und Walten: Wenn sie keinen Gegenwind bekommt, wird sie erst das Projekt „Azubi-Ticket“ für sich reklamieren – um es anschließend mit einer regionalen, womöglich sogar teuren Scheinlösung politisch zu beerdigen. Dabei ist doch glasklar, welche Probleme wir anpacken wollen, wenn wir ein NRW-weites Azubi-Ticket fordern.
Die Probleme sind klar – und Lösungen auch
Derzeit geben viele Azubis ca. 120€ für regionale Jobtickets aus. Wie die DGB-Jugend NRW in ihrem Ausbildungsreport vorrechnet, müssen Azubis durchschnittlich fast eine monatliche Ausbildungsvergütung (also knapp 700€!) im Jahr für Mobilität ausgeben – nur für den Weg zur Arbeit! Dies schmälert nicht nur den sowieso engen finanziellen Spielraum von Azubis. Auch werden bewusste Entscheidungen für eine (Wunsch-)Ausbildung in einer anderen NRW-Region erschwert: durch hohe Kosten für die morgendliche Anreise oder teure Wochenendfahrten nach Hause. Hinzu kommt, dass es für Auszubildende aktuell viel kostspieliger als für Studierende ist, abends oder am Wochenende im Land mobil zu sein – ob fürs gemeinsame Feiern mit Freund*innen oder für ehrenamtliches Engagement. Mit einem bezahlbaren und NRW-weiten Azubi-Ticket lässt sich die gesellschaftliche Teilhabe von Auszubildenden effektiv verbessern! Dass junge Menschen sich über ein attraktives ÖPNV-Monatsticket an eine nachhaltigere Verkehrsnutzung gewöhnen, ist ein weiteres Plus. Aktuell werden nur acht Prozent der Wegstrecken in NRW mit Bussen und Bahnen zurückgelegt. Aber der ÖPNV ist schon heute mindestens doppelt so klima- und umweltfreundlich wie klassisches Autofahren!
Ein NRW-weites und preisgünstiges Azubi-Ticket packt diese Problematiken effektiv an. Zur Umsetzung macht es die Tarifhoheit der vier NRW-Verkehrsverbünde erforderlich, dass die Landespolitik mit den Verkehrsverbünden, Verkehrsunternehmen, Kammern sowie Gewerkschaften und Unternehmensverbänden einen effektiven Weg zur Umsetzung eines NRW-weiten und bezahlbaren Azubi-Tickets findet. Dieser gemeinsame Weg muss vorsehen, dass das Land NRW die notwendigen Zuschüsse an die Verkehrsverbünde zahlt und die ÖPNV-Infrastruktur mit Nachdruck modernisiert und ausbaut. Hier bedarf es massiver Zukunftsinvestitionen!
Unser Weg zum Azubi-Ticket: Gemeinsam mit der DGB-Jugend in die Offensive gehen
Zur genauen Ausgestaltung eines Azubi-Tickets hat die DGB-Jugend NRW mit ihrer Kampagne „Freifahrt! #AzubiTicketJetzt“ zentrale Vorschläge gemacht, die es für uns zu beachten gilt:
- Statt wie beim Semesterticket für Studierende eine Pauschallösung für alle zu schaffen, macht die andersgelagerte rechtliche Situation für Azubis und Dual-Studierende einen anderen Lösungsweg notwendig: Deshalb soll das Azubi-Ticket als attraktives Angebot für alle Azubis und Dual-Studierende eingeführt werden, welches sie ab Ausbildungsbeginn beziehen können.
- Ein attraktives Azubi-Ticket braucht eine NRW-weite Gültigkeit für den ÖPNV und Sonderregelungen für Grenzpendler*innen (egal ob aus Niedersachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz oder den Niederlanden).
- Ein freiwilliges und NRW-weites Azubi-Ticket wird nur dann attraktiv sein, wenn es auch bezahlbar ist. Dafür schlägt die Gewerkschaftsjugend einen monatlichen Abopreis von ca. 30€ vor.
- Bei der Umsetzung muss sichergestellt werden, dass örtliche Verkehrsunternehmen nicht auf dem (v.a. finanziellen) Aufwand des Azubi-Tickets sitzen bleiben.
Darüber hinaus gilt es, die Interessen von Jahrespraktikant*innen und Freiwilligendienstleistenden im Blick zu behalten und diese ggf. in ein Azubi-Ticket-Konzept einzubeziehen.
Nächste Haltestelle: Zustimmung zum Azubi-Ticket-Antrag der NRW Jusos!
Um das Thema nicht zu verschlafen, wollen wir NRW Jusos unsere Partei und Landtagsfraktion in die Offensive bringen. Auf unserem Landesausschuss haben wir den Antrag „Wir werden konkret: für ein bezahlbares Azubi-Ticket für ganz NRW!“ einstimmig beschlossen, um das Thema jetzt auf dem Landesparteitag voranzubringen.